NEW HEADS – FONDATION BNP PARIBAS ART AWARDS 2018

Horizontal ausgerichtet wie die gleichnamige portugiesische Lagune, erstreckt sich die Installation von Sara da Silva Santos über die beiden Räume des CACY. Die Künstlerin, die soeben die HEAD – Genève erfolgreich abgeschlossen hat und mit einem Preis der New Heads – Fondation BNP Paribas Art Awards 2018 ausgezeichnet wurde, erhielt eine Carte blanche, um die Kunsthalle zu bespielen und der Öffentlichkeit damit ihre erste Einzelausstellung zu präsentieren.

Im Jahr 2015 befasste sich Sara da Silva Santos, die bereits als Malerin tätig war, mit der Materie der Leinwand. Wie könnte man Leinwand anders als in einem durch den Keilrahmen bestimmten, eingeschränkten Format verwenden? Der Stoff interessiert sie aufgrund seines veränderbaren, ausdehnbaren und versetzbaren Aspekts. Zufälligerweise mietet sie im gleichen Moment ein neues Atelier in einem alten Gebäude, dessen Boden gleichsam unbenutzbar ist. Sie denkt darüber nach, ihn durch ein schwimmendes Parkett zu ersetzen, um ihren Arbeitsraum zu optimieren. Ihre Überlegungen als Plastikerin über die Materie verschieben sich allmählich von der Leinwand zum Boden und erlauben ihr, mit Hilfe verschiedener Eingriffe die Malerei zum Raum, zur Fläche und zum Volumen in Beziehung zu setzen. So gilt ihr Interesse nunmehr dem Parkettboden. Ein modulierbares, transportierbares Element, das nicht nur zur Aufnahme von Farbe dient, sondern ihr auch ermöglicht, sich mit einem Ort, seiner Architektur und seiner Funktion auseinanderzusetzen. Während Saras Studienzeit durchläuft ihr Werk je nach den verschiedenen Jurys der HEAD – Genève, die alle sechs Monate zusammentreten, mehrere Etappen, bevor es die Form erhält, die im Herbst 2018 im CACY zu sehen ist.

Erste Etappe: im Juni 2016 bedeckt Sara da Silva Santos den 19 Quadratmeter grossen Boden ihres Ateliers mit einem schwimmenden Parkett und bemalt ihn mit einem Gitter, das an das quadratische Raster von Photoshop erinnert. Einige Farben schleichen sich allerdings ungezwungen in die Komposition ein, um die strikte Rechtwinkligkeit aufzulockern. Sechs Monate später versetzt sie die Fussbodenbretter, um mit ihnen den gesamten Gang zu bedecken, der vom Eingang zum Atelier führt. Die Grundkomposition ist nun zweigeteilt, und die Leerflächen im Atelier werden mit neuen Dielen bedeckt. Diese beiden – eigenhändig ausgeführten – Eingriffe lösen Fragen über die Malerei aus, die sich in gelegentlich amüsanter, ein paar illusionistische Spiele umfassender Weise auf die Fläche und die Komposition konzentrieren. Zudem setzen sie sich mit der Geschichte des Orts auseinander: Das brandneue und perfekt geradlinige Parkett hebt den schlechten Zustand der in die Jahre gekommenen Wände hervor, von denen die Farbe abblättert. Ist das Parkett der «Star der Fussbodenbeläge», als den es einige Händler anpreisen, so hat dieser von Sara gewählte «erste Preis» nichts Echtes, Herzliches oder Elegantes an sich. Er ist vor allem funktionell. Die Künstlerin versetzt den Boden erneut anlässlich einer dritten Präsentation in einem Raum der HEAD – Genève, indem sie ihn vertikal gegen die Wände stellt. In visueller Hinsicht wird die Malerei ohne Überarbeitungen oder Hinzufügungen an die Wand gelehnt, in konzeptueller Hinsicht ist die Fläche ihres Ateliers in einen externen Raum versetzt worden. Zum vierten und letzten Mal wird das Parkett für die Studienabschluss-Jurys in einem Raum der HEAD – Genève gezeigt, diesmal zusätzlich ausgestattet mit Luftmatratzen, auf denen es sich das Publikum, dem ein Hörstück angeboten wird, bequem machen kann.

In lagoa rasa, das heisst der fünften Etappe des Projekts, integriert Sara da Silva Santos die Quadratmeter ihres Ateliers in die 160 Quadratmeter der ihr im CACY zur Verfügung stehenden Fläche. Mit einem Parkett, das den historischen Steinboden des Gebäudes be-deckt, erhält die Kunsthalle ein häusliches Aussehen, und die BetrachterInnen bewegen sich im Werk. In im-mersiver Weise können sie die progressiven Schichten einer Malerei wahrnehmen, die sich in Funktion ihrer Ausstellungsorte ständig weiter ausdehnt.

Karine Tissot

übersetzt von Hubertus von Gemmingen
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